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Haftung des VR bei drohender Zahlungsunfähigkeit, Kapitalverlust und Überschuldung

von hauser@m-win.ch, +41 (52) 269 21 11

Im Rahmen der Aktienrechtsrevision wurden die Bestimmungen der Art. 725 ff. OR revidiert, insb. ausgeweitet und konkretisiert. Dabei wurden auch Pflichten des VR revidiert und neue eingefügt. Diese betreffen die Themen «Drohende Zahlungsunfähigkeit, Kapitalverlust und Überschuldung». Die Missachtung der Pflichten kann schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen. Wir geben Ihnen einen Überblick.

Alte Rechtslage (bis 31.12.2022)

Art. 725 OR hat dem Verwaltungsrat (VR) bei Kapitalverlust und Überschuldung gewisse Pflichten auferlegt. Zeigte die letzte Jahresbilanz, dass die Hälfte des Aktienkapitals und der gesetzlichen Reserven nicht mehr gedeckt ist, war der VR verpflichtet, unverzüglich eine Generalversammlung einzuberufen und ihr Sanierungsmassnahmen zu beantragen, Art. 725 Abs. 1 OR. Bei begründeter Besorgnis einer Überschuldung musste eine Zwischenbilanz erstellt und einem zugelassenen Revisor zur Prüfung vorgelegt werden. Je nach Ergebnis der Zwischenbilanz, musste der VR das Gericht benachrichtigen, sofern nicht im Ausmass der Unterdeckung Rangrücktritte erklärt wurden, Art. 725 Abs. 2 OR.

Neue Rechtslage (ab 01.01.2023)

Drohende Zahlungsunfähigkeit, Art. 725 OR

Der VR muss die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft überwachen und bei drohender Zahlungsunfähigkeit Massnahmen zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit treffen. Soweit erforderlich, muss er weitere Massnahmen zur Sanierung der Gesellschaft treffen oder der Generalversammlung solche beantragen, soweit sie in deren Zuständigkeit fallen. Der VR muss nötigenfalls ein Gesuch um Nachlassstundung einreichen. Der VR muss mit der gebotenen Eile handeln.

Kapitalverlust, Art. 725a OR

Zeigt die letzte Jahresrechnung, dass die Aktiven abzüglich der Verbindlichkeiten die Hälfte der Summe aus Aktienkapital, nicht an die Aktionäre zurückzahlbarer gesetzlicher Kapitalreserve und gesetzlicher Gewinnreserve nicht mehr decken, muss der VR Massnahmen zur Beseitigung des Kapitalverlusts treffen. Soweit erforderlich, muss er weitere Massnahmen zur Sanierung der Gesellschaft treffen oder der Generalversammlung solche beantragen, soweit sie in deren Zuständigkeit fallen, Art. 725 Abs. 1 OR. Sofern die Gesellschaft keine Revisionsstelle hat, muss die letzte Jahresrechnung vor ihrer Genehmigung durch die Generalversammlung zusätzlich einer eingeschränkten Revision durch einen zugelassenen Revisor unterzogen werden. Der VR ernennt den zugelassenen Revisor, Art. 725a Abs. 2 OR. Die Revisionspflicht entfällt, wenn der VR ein Gesuch um Nachlassstundung einreicht, Art. 725a Abs. 3 OR. Der VR und die Revisionsstelle, bzw. der zugelassene Revisor müssen mit der gebotenen Eile handeln, Art. 725a Abs. 4 OR.

Überschuldung, Art. 725b OR

Bei begründeter Besorgnis, dass die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mehr durch die Aktiven gedeckt sind, muss der VR unverzüglich je einen Zwischenabschluss zu Fortführungswerten und Veräusserungswerten erstellen, Art. 725b Abs. 1 Satz 1 OR. In gewissen Fällen, die in Art. 725b Abs. 1 Satz 2 und 3 OR definiert sind, kann auf einen dieser beiden Zwischenabschlüsse verzichtet werden.

Der VR muss die Zwischenabschlüsse durch die Revisionsstelle oder, wenn eine solche fehlt, durch einen zugelassenen Revisor prüfen lassen; der VR ernennt den zugelassenen Revisor, Art. 725b Abs. 2 OR. Ist die Gesellschaft gemäss den beiden Zwischenabschlüssen überschuldet, so benachrichtigt der VR das Gericht. Dieses eröffnet den Konkurs oder verfährt nach Artikel 173a SchKG, Art. 725b Abs. 3 OR. Art. 725b Abs. 4 OR definiert Fälle, in welchen die Benachrichtigung des Gerichts unterbleiben kann.

Auch hier müssen VR und Revisionsstelle, bzw. zugelassener Revisor mit der gebotenen Eile handeln, Art. 725b Abs. 6 OR.

Konsequenzen bei Verletzung der Bestimmungen

Zum einen droht bei der Verletzung der Pflichten eine Schadenersatzpflicht nach Art. 754 OR (sog. aktienrechtliche Verantwortlichkeit), zum anderen können strafrechtliche Konsequenzen drohen. So kommt insb. der Straftatbestand der «Misswirtschaft» nach Art. 165 StGB in Betracht, wenn «arge Nachlässigkeit in der Berufsausübung» vorliegt und die weiteren Tatbestandsmerkmale erfüllt sind.

Achtung: Gem. Art. 820 OR sind die Bestimmungen des Aktienrechts zur drohenden Zahlungsunfähigkeit, zum Kapitalverlust, zur Überschuldung (sowie zur Aufwertung von Grundstücken und Beteiligungen) auf die GmbH entsprechend anwendbar.

Sollten Sie Fragen haben oder Unterstützung benötigen, erwarten wir gerne Ihre Kontaktnahme.

Interessiert mich (Email an sekretariat@m-win.ch; wir melden uns)

Anmerkung: Dieser Beitrag wurde von der unabhängigen Anwaltskanzlei «Martin Rechtsanwälte GmbH» auf unserem Blog publiziert.

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