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Steuerruling – Das schweizerische Erfolgsmodell

Obwohl zunächst im Gesetz nur in Art. 69 des Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer (MWSTG) unter «Auskunftsrecht» ansatzweise positiv geregelt, kamen und kommen Steuerrulings in der Schweiz häufig vor und haben eine grosse praktische Bedeutung. Sie haben dazu geführt, dass die Steuergerichte im Bereich des Unternehmenssteuerrechts wenig zu entscheiden haben und zentrale Fragen nicht gerichtlich, sondern durch Steuerrulings geklärt wurden und werden. Dies führte zu einer starken Stellung der kantonalen Steuerämter und der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV), auch gegenüber der Politik und dem Bund.

Um Kritik der Politik und Finanzkontrolle des Bundes zuvorzukommen hat die ESTV den Prozess zur Erteilung von Steuerrulings organisiert und in einer Praxisfestlegung vom 29.04.2019 umschrieben.

  1. Zunächst soll auf die Rechtsnatur eines Steuerrulings eingegangen werden.

In Art. 8 der Verordnung über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (StAhiV) findet sich seit 2018 eine positive Umschreibung des Begriffes Steuerruling. Das Steuerruling wird dort als «Steuervorbescheid» bezeichnet und als solcher gelten nach dem Wortlaut von Art. 8 StAhiV eine Auskunft, Bestätigung oder Zusicherung einer Steuerverwaltung, die diese einer steuerpflichtigen Person gegeben hat und die die steuerlichen Folgen eines von der steuerpflichtigen Person dargelegten Sachverhalts betrifft und auf die sich die steuerpflichtige Person berufen kann.

Entsprechend urteilte das Bundesgericht: «Bei «Steuerrulings» handelt es sich um vorgängige Auskünfte der Steuerverwaltung, die zwar nicht Verfügungscharakter haben, aber gemäss dem Vertrauensschutzprinzip (Art. 9 BV) Rechtsfolgen gegenüber den Behörden auslösen können. »

Abzugrenzen vom Steuerruling ist zum einen danach die Feststellungsverfügung, die im Gegensatz zum Steuerruling mit einem Rechtsmittel angefochten werden kann. Das Bundesgericht lässt gegen die Ablehnung eines Steuerrulings kein Rechtsmittel zu. Zum anderen abzugrenzen sind Verständigungen im Veranlagungsverfahren. Ziel des Steuerpflichtigen beim Steuerruling ist es aufgrund der Auskunft der Steuerverwaltung für die Zukunft rechtssicher disponieren zu können. Hingegen sind im Veranlagungsverfahren steuerlich relevante Sachverhalte bereits abgeschlossen und über diese kann mit der Steuerverwaltung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften eine Verständigung erfolgen.

  • Zur Frage der Zuständigkeit hält das Bundesgericht Folgendes fest:

«Die ESTV hat keine Befugnis zur verbindlichen Feststellung bezüglich der steuerlichen Behandlung geplanter Sachverhalte im Sinne eines «Rulings». Damit sind grundsätzlich die kantonalen Veranlagungsbehörden – abgesehen von gewissen Ausnahmekonstellationen – allein zuständig zur Erteilung von «Rulings» und die genehmigten «Rulings» sind – bis zu einem allfälligen Widerruf – auch für die ESTV verbindlich. »

Allenfalls bei der Aufsichtsfunktion im Rahmen der Art. 102 und Art. 103 des Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) kann die Unterzeichnung eines Steuerrulings durch die ESTV Vertrauensschutz dahingehend begründen, dass von den in Art. 103 DBG niedergelegten Rechten der ESTV bis zum Widerruf kein Gebrauch gemacht wird. Auch in Spezialfällen (Verrechnungssteuer, Stempelabgabe nach Artikel 31 des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben (StG) oder Genehmigung von Produkten der Säule 3a,) ist die ESTV kraft gesetzlicher Normierung zuständig für das Erteilen eines Steuerrulings.

  • Folgende Formalien sind an ein Gesuch zu stellen:
  • Schriftform unter Verwendung einer der Schweizer Amtssprachen;
  • Unaufgeforderte Vorlage von Vollmachten bei Einschaltung von Rechtsvertretern;
  • Genaue Bezeichnung der Beteiligten;
  • Stellung von steuerlichen Anträgen;
  • Beifügung von notwendige Beilagen (in Absprache auch auf Englisch).
  • Die Voraussetzungen unter denen ein bindendes Steuerruling zustande kommt sind Folgende:

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der Praxisfestlegung müssen kumulativ folgende Punkte vorliegen, damit aus einem Steuerruling nach Treu und Glauben Vertrauensschutz in Auskünfte der Steuerbehörden abgeleitet werden kann:

  • Die Auskunft der Steuerbehörde muss sich auf eine konkrete, die steuerpflichtige Person berührende Angelegenheit beziehen;
  • Die Steuerbehörde, welche die Auskunft erteilt hat, muss dafür zuständig sein oder die steuerpflichtige Person durfte sie aus zureichenden Gründen als zuständig betrachtet haben;
  • Die steuerpflichtige Person hat die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres erkennen können;
  • Die steuerpflichtige Person hat im Vertrauen hierauf nicht ohne Nachteil rückgängig zu machende Dispositionen getroffen;
  • Die Rechtslage zur Zeit der Verwirklichung noch die gleiche ist wie im Zeitpunkt der Auskunftserteilung (und der Schutz des Vertrauens in die unrichtige Auskunft ist höher zu gewichten als das Interesse an der richtigen Rechtsanwendung). Zur Klammer siehe unten.
  • Die Folgen sind beachtlich.

Bei Bejahung der Voraussetzungen entfaltet das Steuerruling selbst dann Bindungswirkung, wenn die Antwort der Steuerbehörde nicht richtig war und damit für einen Sachverhalt Steuerfolgen bestätigt werden, die der Verwaltungspraxis widersprechen. Der Vertrauensschutz geht also dem Interesse an der richtigen Rechtsanwendung grundsätzlich vor. Nur in Ausnahmefällen lies das Bundesgericht das Interesse an der richtigen Rechtsanwendung überwiegen, hat diesen Vorbehalt aber in der jüngsten Entscheidung hierzu vom 05.08.2020 nicht mehr wiederholt. Insoweit bedarf die Praxisfestlegung der ESTV vom 29.04.2019 der Umschreibung.

Steuerrulings, die einen Dauersachverhalt zum Inhalt haben, geniessen so lange Vertrauensschutz, bis sie von der zuständigen Steuerbehörde schriftlich widerrufen werden. In den Bereichen der direkten Bundessteuer sowie Rückerstattung der Verrechnungssteuer an natürliche inländische Personen weist die ESTV als Aufsichtsbehörde des Bundes, Art 103 DBG, die zuständige kantonale Steuerbehörde schriftlich an, das von dieser gewährte Steuerruling zu widerrufen und teilt dies der steuerpflichtigen Person mit.

Einen kleinen Wermutstropfen beinhaltet eine Entscheidung des Bundesgerichts vom 7. Juli 2019. Darin wird festgestellt, dass sich der Steuerpflichtige im Fall einer Steuerumgehung nicht auf ein Steuerruling berufen könne. Diese Aussage des Bundesgerichts ist aber in dieser pauschalisierten und verkürzten Form unrichtig. Wie sich aus den Erwägungen im Urteil u. a. unter Ziffer B ergibt, konnte das Ruling im konkreten Fall nicht angerufen werden, weil die Elemente im Sachverhalt, welche zur Annahme der Steuerumgehung führten (zeitnaher Verkauf des einzigen Vermögenswertes der Gesellschaft), im Rulingsantrag nicht dargestellt worden waren und sogar Steuerhinterziehung in Betracht kam.

Festzuhalten ist vielmehr, dass bei der Frage an die Steuerverwaltung, ob ein Fall von Steuerumgehung vorliegen könnte, ein Steuerruling entsprechenden Schutz vor diesem Vorwurf bieten kann, vorausgesetzt der Sachverhalt wird der Steuerverwaltung vollständig und richtig dargelegt.

  • Fazit

Bei Unklarheiten über steuerliche Auswirkungen vom Steuerpflichtigen beabsichtigter künftiger Dispositionen, ist die Beantragung eines Steuerrulings unumgänglich. Nur so kann gewährleistet werden, dass sich u. U. Jahre nach der erfolgten Disposition keine unerwünschten steuerlichen Überraschungen ergeben.

Sollten Sie Fragen haben oder Unterstützung benötigen, können Sie sich gerne an uns wenden.

Interessiert mich (Email an sekretariat@m-win.ch; wir melden uns)

Anmerkung: Dieser Beitrag wurde von der unabhängigen Anwaltskanzlei «Martin Rechtsanwälte GmbH» auf unserem Blog publiziert.

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