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FinfraG: Beschlusspflicht für alle? – Teil 3 (Konsequenzen)

von martin@m-win.ch und hauser@m-win.ch, Tel. +41 (52) 269 21 11

In unserem ersten Beitrag (FinfraG: Beschlusspflicht für alle?) gingen wir der Sache auf den Grund, warum die Revisionsstelle den Verwaltungsrat einer agrarwirtschaftlichen Unternehmung aufforderte, einen Beschluss vorzulegen, wonach sein Unternehmen NICHT mit Finanzderivaten handeln will und somit dem FinfraG nicht unterstehe. In einem zweiten Beitrag (FinfraG: Beschlusspflicht für alle? – Teil 2 (Möglichkeiten) prüften wir, was dagegen getan werden kann.

In diesem Beitrag gehen wir den Fragen nach, was passiert, wenn man den «Nicht-Derivate-Handel-Beschluss» trotz Verlangen der Revisionsstelle verweigert und diese keine anderen Beweise annimmt oder diese als ungenügend erachtet. Wird sie einen Vorbehalt im Revisionsbericht vornehmen oder etwas anderes tun? Kann man sich dagegen zur Wehr setzen? Und falls ja, führt das Obsiegen zu einer generellen «Aufhebung» der Beschluss-/Beweispflicht?

Prüfung durch die Revisionsstellen und Prüfbericht

Die Prüfung der Einhaltung der Bestimmungen über den Handel mit Derivaten erfolgt anlässlich der ordentlichen oder eingeschränkten Revision. Der Gegenstand der Prüfung und Berichterstattung ist für beide Revisionsarten im OR abschliessend geregelt. Durch das FinfraG erfolgte keine spezifische Anpassung des OR, weshalb im Revisionsbericht nicht über den Prüfgegenstand nach FinfraG Bericht erstattet wird. Art. 116 FinfraG begründet eine eigene Berichterstattungspflicht, sobald Derivate während des Geschäftsjahres eingesetzt wurden oder ausstehend sind (Erläuterungsbericht zur Verordnung über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel (Finanzmarktinfrastrukturverordnung, FinfraV) vom 25. November 2015, S. 51/52).

Art. 114 FinfraV konkretisiert die Berichterstattung betreffend der FinfraG-Prüfpflicht, wobei nach ordentlicher und eingeschränkter Revision zu differenzieren ist.  

I. Ordentliche Revision

Bei der ordentlichen Revision erstattet die Revisionsstelle gem. Art. 728b Abs. 1 OR dem Verwaltungsrat einen umfassenden Bericht mit Feststellungen über die Rechnungslegung, das interne Kontrollsystem sowie die Durchführung und das Ergebnis der Revision. Zusätzlich erstattet die Revisionsstelle der Generalversammlung schriftlich einen zusammenfassenden Bericht über das Ergebnis der Revision, Art. 728b Abs. 2 OR.

Aus Gründen der Zweckmässigkeit wurde in Art. 114 Abs. 3 FinfraV festgelegt, dass das Prüfungsresultat der Abklärungen nach FinfraG im umfassenden Revisionsbericht an den Verwaltungsrat festzuhalten ist. Die Berichterstattung erfolgt in Form einer positiven Prüfungsaussage/assurance (Erläuterungsbericht zur Verordnung über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel (Finanzmarktinfrastrukturverordnung, FinfraV) vom 25. November 2015, S. 51/52).

II. Eingeschränkte Revision

Bei der eingeschränkten Revision erstattet die Revisionsstelle gem. Art. 729b OR der Generalversammlung schriftlich einen zusammenfassenden Bericht über das Ergebnis der Revision. Wie oben dargelegt, erfasst dieser nicht den Prüfgegenstand nach FinfraG.

Art. 114 Abs. 4 FinfraV sieht vor, dass die Revisionsstelle nach Art. 727a OR das verantwortliche Organ des geprüften Unternehmens über das Resultat der Prüfung informiert. Die Berichterstattung erfolgt in Form einer negativen Prüfungsaussage/assurance (Erläuterungsbericht zur Verordnung über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel (Finanzmarktinfrastrukturverordnung, FinfraV) vom 25. November 2015, S. 51/52).

Hat die geprüfte Gesellschaft während der Prüfperiode keine Derivatgeschäfte getätigt und stehen an deren Ende auch keine aus, so kann die Berichterstattung nach Artikel 114 Abs. 3 und 4 FinfraV unterbleiben, Art. 114 Abs. 6 FinfraV. Dies kann aber nur greifen, wenn überhaupt eine hinreichende Abklärung durch die Revisionsstelle getroffen wurde.

Was geschieht, wenn man den Beschluss trotz Verlangen der Revisionsstelle verweigert und diese keine anderen Beweise annimmt oder diese als ungenügend erachtet?

Art. 117 FinfraG regelt die Berichterstattung und Anzeige durch Revisionsgesellschaften; dieser wird konkretisiert von Art. 114 FinfraV.

Gem. Art. 117 Abs. 2 FinfraG gelten für die Revisionsstellen bei Verstössen gegen Pflichten des Kapitels über den Handel mit Derivaten (Art. 93 ff. FinfraG) die Anzeigepflichten nach Artikel 728c Absätze 1 und 2 OR. Dieser Pflicht hat sie gemäss Art. 114 Abs. 5 FinfraV im Rahmen der Berichterstattung nach Artikel 114 Abs. 3 und 4 FinfraV (siehe oben) nachzukommen und dabei eine Frist für die Behebung der gemeldeten Verstösse zu setzen.

Trifft das Unternehmen trotz erfolgter Anzeige durch die Revisionsstelle keine angemessenen Massnahmen, so meldet die Revisionsstelle die Verstösse dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD), Art. 117 Abs. 3 FinfraG. Art. 114 Abs. 7 FinfraV konkretisiert, dass die Revisionsstelle die Verstösse dem EFD zu melden hat, wenn die Gesellschaft die Verstösse nach Art. 114 Abs. 5 FinfraV nicht innerhalb der gesetzten Frist behebt oder wenn sich diese wiederholen.

Wie im zweiten Beitrag bereits dargelegt, besteht die FinfraG-Prüfpflicht der Revisionsstelle nur, wenn das betroffene Unternehmen Derivate einsetzt oder einsetzen will. Wenn nicht, entfällt die Revisionspflicht nach FinfraG. Sofern bei der Revisionsstelle jedoch keine sichere Kenntnis über den Einsatz von Derivaten vorliegt und kein «Nicht-Derivate-Handel-Beschluss» gefällt wurde, kann diese nicht ausschliessen, dass ein Verstoss gegen Pflichten des Kapitals über den Handel mit Derivaten vorliegt. Wir gehen daher davon aus, dass sie in einem solchen Fall von dem o.g. Vorgehen Gebrauch machen wird.

Sofern das Unternehmen binnen der angesetzten Frist die «angemessenen Massnahmen» (Art. 117 Abs. 3 FinfraG) trifft, sollten seitens der Revisionsstelle keine weiteren Schritte folgen.

Trifft das Unternehmen hingegen keine Massnahmen, erfolgt die Meldung an das EFD. Das EFD wird aufgrund der Meldung notwendige Abklärungen treffen und gegebenenfalls Massnahmen einleiten. Zu beachten ist dabei, dass die Verletzung von gewissen Pflichten betreffend den Derivatehandel gem. Art. 150 FinfraG bei vorsätzlicher Begehrung strafbar ist. Da das EFD gem. Art. 50 FINMAG für Widerhandlungen gegen die Strafbestimmungen der Finanzmarktgesetze als verfolgende und urteilende Behörde bestimmt wurde, wird diese in jene Richtung tätig werden (können).

Kann man sich dagegen zur Wehr setzen?

Sofern ein Verwaltungs- oder Strafverfahren eingeleitet wird, kann grundsätzlich von den jeweils vorgesehenen Verteidigungs- und Rechtsmitteln Gebrauch gemacht werden. Dabei kann auch geltend gemacht werden, die Verordnung verstosse gegen übergeordnetes Recht oder sei nicht durch die Ermächtigung im Gesetz gedeckt («konkrete Normenkontrolle»). Gestützt darauf kann allenfalls eine mit der «Beschlusspflicht» begründete Verfügung oder Strafe aufgehoben werden.

Aufgrund von Art. 190 BV haben rechtsanwendenden Behörden Bundesgesetze und Völkerrecht anzuwenden, selbst wenn diese verfassungswidrig sind. Art. 190 BV betrifft jedoch nur Bundesgesetze, nicht aber Verordnungen. Die rechtsanwendenden Behörden können Verordnungen somit im konkreten Anwendungsfall vorfrageweise auf ihre Vereinbarkeit mit dem übergeordneten Recht überprüfen und gegebenenfalls ihre Anwendung verweigern. Falls aber eine Verfassungsverletzung schon aufgrund der Verfassungswidrigkeit des übergeordneten Bundesgesetzes besteht, haben die rechtsanwendenden Behörden sie trotz ihrer Verfassungswidrigkeit anzuwenden (Bundesversammlung, Verfassungsgerichtsbarkeit, abrufbar unter: https://www.parlament.ch/de/%C3%BCber-das-parlament/Seiten/faktenblatt-verfassungsgerichtsbarkeit.aspx).

Führt das Obsiegen zu einer generellen «Aufhebung» der Beschluss-/Beweispflicht?

Formell: Nein. Beurteilt wird bei konkreter Normenkontrolle nur der konkrete Fall; nicht Fälle, die in der Zukunft liegen oder Dritte betreffen.

Faktisch: Ja, jedenfalls dann, wenn die konkrete Normenkontrolle von einem Bundesgericht ausgeübt wurde. Die Behörden können zwar weiterhin jeden Einzelfall konkret prüfen, aber wenn die konkrete Normenkontrolle nicht gerade einen spezifischen Ausnahmefall betraf, entwickelt sie doch in der Regel allgemeine Wirkung. Dies schon aus rein faktischen Gründen, weil jede Instanz davon ausgehen muss, dass die übergeordnete gemäss dem Bundesgerichtsentscheid eine Verfügung oder Massnahme, die sich auf die verordnete «Beschlusspflicht» stützt, aufheben würde.

Es ist zu hoffen, dass bald eine betroffene Partei den Winkelried gibt und für die Korrektur dieser Irrung des Verordnunggebers sorgt.

Sollten Sie Fragen haben oder Unterstützung benötigen, können Sie sich gerne an uns wenden.

Interessiert mich (Email an sekretariat@m-win.ch; wir melden uns)

Anmerkung: Dieser Beitrag wurde von der unabhängigen Anwaltskanzlei «Martin Rechtsanwälte GmbH» auf unserem Blog publiziert.

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