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FinfraG: Beschlusspflicht für alle? – Teil 2 (Möglichkeiten)

von martin@m-win.ch und hauser@m-win.ch, Tel. +41 (52) 269 21 11

In unserem ersten Beitrag (FinfraG: Beschlusspflicht für alle?) gingen wir der Sache auf den Grund, warum die Revisionsstelle den Verwaltungsrat einer agrarwirtschaftlichen Unternehmung aufforderte, einen Beschluss vorzulegen, wonach sein Unternehmen NICHT mit Finanzderivaten handeln will und somit dem FinfraG nicht unterstehe. In diesem zweiten Beitrag prüfen wir, was dagegen getan werden kann.

Verzicht auf eingeschränkte Revision

Sofern die Voraussetzungen für eine ordentliche Revision nicht gegeben sind, unterliegt ein Unternehmen der eingeschränkten Revision, Art. 727a Abs. 1 OR. Auf die eingeschränkte Revision kann das Unternehmen verzichten (sog. Opting-Out). Im Falle eines solchen Verzichts hat es keine Revisionsstelle.

In Art. 116 FinfraG ist festgelegt, dass die Revisionsstellen nach den Art. 727 und 727a OR im Rahmen ihrer Revision prüfen, ob die Gegenparteien die Bestimmungen des Kapitels betr. Handel mit Derivaten einhalten. Aufgrund des Verweises auf Art. 727a OR wurde in Kauf genommen, dass finanzielle Gegenparteien, die über keine Revisionsstelle verfügen, sich der Prüfung nach Art. 116 Abs. 1 FinfraG und somit auch der Vorlage des «Nicht-Derivate-Handel-Beschlusses» entziehen können (Quelle: Portmann Pascal/Suhr Brunner Christiana, in: Sethe Rolf/Favre Olivier/Hess Martin/Kramer Stefan/Schott Ansgar (Hrsg.), Kommentar zum Finanzmarktinfrastrukturgesetz FinfraG, Zürich – Basel – Genf 2017, Art. 116 Zuständigkeiten).

Mit einem Opting-Out muss man mangels Revisionspflicht damit auch keinen «Nicht-Derivate-Handel-Beschluss» mehr fällen und vorlegen.

Gerichtliche Überprüfung von Art. 113 Abs. 2 der FinfraV

Die Prüfung, ob eine Norm mit dem höherrangigen Recht übereinstimmt, wird als Normenkontrolle bezeichnet (siehe z.B. BVGer, Urteil vom 25. Mai 2021, C-5074/2020 E.4.3). Zu unterscheiden sind die abstrakte und die konkrete Normenkontrolle.

Die abstrakte Normenkontrolle ist die Prüfung der Gültigkeit einer Norm in einem besonderen Verfahren, unabhängig von einer konkreten Anwendung. Bundeserlasse und damit auch Verordnungen des Bundesrates unterliegen nach Art. 189 Abs. 4 BV keiner abstrakten Normenkontrolle (BVGer, Urteil vom 25. Mai 2021, C-5074/2020 E.4.3 m.w.H.).

Das Bundesgericht und auch das Bundesverwaltungsgericht können eine bundesrätliche Verordnung nur vorfrageweise im Rahmen einer akzessorischen (inzidenten, konkreten, vorfrageweisen) Normenkontrolle, d.h. im Rahmen eines konkreten Rechtsanwendungsaktes, auf ihre Gesetz- und Verfassungsmässigkeit hin prüfen. Anders als bei der abstrakten Normenkontrolle bildet bei der konkreten Normenkontrolle nicht der Erlass selbst das Anfechtungsobjekt, sondern ein konkreter Rechtsanwendungsakt (meist eine Verfügung; BVGer, Urteil vom 25. Mai 2021, C-5074/2020 E.4.3 m.w.H.). Bei einer konkreten Normenkontrolle gelten die gewöhnlichen Rechtsmittelfrist, sofern nicht gesetzlich etwas anderes vorgesehen ist.

Eine abstrakte Normenkontrolle der FinfraV scheidet damit aus, möglich wäre eine konkrete Normenkontrolle, sofern z.B. eine Verfügung vorläge. 

Verlangen einer Feststellungsverfügung

Eventuell wird das Verlangen einer Feststellungsverfügung schon daran scheitern, dass es keine Behörde gibt, die für den Erlass zuständig ist. Dies, weil die Revisionsstelle die Pflicht hat, die Revision nach FinfraG vorzunehmen und diese keine Behörde ist. Ob eine Verfügung, z.B. von der Finma, verlangt werden könnte, haben wir nicht weiter geprüft.

Selbst wenn man aber eine zuständige Behörde finden würde, kann man nicht in allen Fällen eine Feststellungsverfügung verlangen. So hat das Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 25. Mai 2021, C-5074/2020 über einen Fall entscheiden müssen, in welchem eine Feststellungsverfügung erwirkt werden sollte, um im Endeffekt eine abstrakte Normenkontrolle vorzunehmen. Das BVGer hat in E. 5.1 (m.w.H.) dazu erwogen:

«Aus diesen Rügen geht hervor, dass die Beschwerdeführenden nicht auf einen konkreten Rechtsanwendungsakt bzw. eine Individualverfügung Bezug nehmen, sondern vielmehr die Norm als solche generell als rechtswidrig erachten. Zu Recht wendet die Vorinstanz demnach ein, dass die Beschwerdeführenden mit ihrem Antrag auf Erlass auf einer Feststellungsverfügung … im Ergebnis auf eine Überprüfung der Rechtmässigkeit der vom Bundesrat verordneten Massnahmen abzielen. Denn das Ziel der Beschwerdeführenden besteht darin, mit dem Instrument des Feststellungsbegehrens Art. 3a … einer gerichtlichen Überprüfung auf seine Verfassungsmässigkeit hin zu unterziehen, und zwar generell und ohne Berufung auf einen individuell-konkreten Anwendungsfall. Mit anderen Worten beabsichtigen sie mit ihrem Feststellungsbegehren eine Rechtslage für eine (bestimmte) Vielzahl von Personen und eine unbestimmte Zahl künftiger Sachverhalte festzustellen, ohne dass sie sich auf einen konkreten Anwendungsfall in Form einer Einzelverfügung zu stützen vermöchten. Damit verfolgen sie im Ergebnis nichts anderes als eine abstrakte Normenkontrolle auf dem Weg des Begehrens um Erlass einer Feststellungsverfügung. Bei Art. 3a … handelt es sich um eine … bundesrätliche Verordnung, welche … nicht im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle überprüft werden kann. Ein schutzwürdiges Feststellungsinteresse besteht für diese Konstellation nicht, denn die Bejahung des Anspruchs auf Erlass einer Feststellungsverfügung hätte im Ergebnis eine abstrakte Normenkontrolle von Art. 3a … zur Folge, welche indes – wie vorstehend dargelegt – vom Verfassungs- und Gesetzgeber nicht vorgesehen ist. Die abstrakte Überprüfung von Erlassen kann vorliegend auch nicht auf dem Umweg über eine Feststellungsverfügung herbeigeführt werden. Personen, welche sich durch bundesrechtlich vorgesehene Massnahmen in ihren Grundrechten verletzt fühlen, sind vielmehr darauf angewiesen, konkrete, sie betreffende Vollzugsakte anzufechten.»

Das BVGer hat die Nichteintretensverfügung der Behörde mangels schutzwürdigen Interesses als zulässig erachtet. Ohne schutzwürdiges Interesse, kann eine Feststellungsverfügung nicht erwirkt werden.

Nicht-Fassung eines Beschlusses

Die Prüfpflicht der Revisionsstelle nach FinfraG setzt voraus, dass eine nichtfinanzielle Gegenpartei Derivate einsetzt oder einsetzen will. Sofern keine Derivate eingesetzt wurden oder solche am Jahresende nicht offen sind, entfällt die Revisionspflicht nach FinfraG mangels Vorliegens eines Prüfgegenstands. Sofern bei der Revisionsstelle keine sichere Kenntnis über den Einsatz von Derivaten vorliegt und kein «Nicht-Derivate-Handel-Beschluss» gefällt wurde, hat sie abzuklären, ob eine Revisionspflicht nach FinfraG vorliegt. Die Revisionsstelle kann dies z.B. feststellen, indem sie Organe befragt oder eine Bestätigung verlangt, dass keine Derivate eingesetzt wurden oder auch am Jahresende nicht offen sind (Quelle: Portmann Pascal/Suhr Brunner Christiana, in: Sethe Rolf/Favre Olivier/Hess Martin/Kramer Stefan/Schott Ansgar (Hrsg.), Kommentar zum Finanzmarktinfrastrukturgesetz FinfraG, Zürich – Basel – Genf 2017, Art. 116 Zuständigkeiten).

Daraus ergibt sich also, dass ein «Nicht-Derivate-Handel-Beschluss» nicht zwingend zu fällen ist. Man muss der Revisionsstelle aber den Nachweis erbringen, dass man keine Derivate einsetzt.

Wenn man diesen Beschluss nun verweigert und die Revisionsstelle keine anderen Beweise annimmt oder diese als ungenügend erachtet, stellt sich die Frage der Konsequenzen dessen. Zudem stellt sich die Frage, wie man sich dagegen zur Wehr setzen kann, und ob das zu einer generellen «Aufhebung» der Beschluss-/Beweispflicht führen kann. Dies untersuchen wir in der nächsten Folge.

Sollten Sie Fragen haben oder Unterstützung benötigen, können Sie sich gerne an uns wenden.

Interessiert mich (Email an sekretariat@m-win.ch; wir melden uns)

Anmerkung: Dieser Beitrag wurde von der unabhängigen Anwaltskanzlei «Martin Rechtsanwälte GmbH» auf unserem Blog publiziert.

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