Abwendung COVID-19 bedingter Konkurse

Der Bundesrat hat mit einer weiteren Covid-19 Verordnung Insolvenzrecht vom 16. April 2020 den Versuch unternommen, von der Krise betroffenen Unternehmungen juristischen Beistand zu leisten, in dem er die in Art. 725 Abs. 2 OR statuierte Pflicht zur Benachrichtigung des Richters modifiziert hat.

Art. 725 Abs. 2 OR sieht grundsätzlich die Verpflichtung des Verwaltungsrats einer Aktiengesellschaft vor, im Falle der Überschuldung der Gesellschaft den Richter zu benachrichtigen Es besteht bei begründeter Besorgnis einer Überschuldung die Pflicht, eine Zwischenbilanz zu Fortführungs- und zu Veräusserungswerten zu erstellen. Diese Pflicht besteht unverändert fort. Es besteht aber weiterhin keine Pflicht, das Gericht zu benachrichtigen, wenn im Zeitpunkt oder im Hinblick auf die Erstellung der Zwischenbilanz Rangrücktritte der Gläubiger im Umfang der festgestellten Überschuldung vorliegen bzw. erklärt wurden.

Eine Überschuldung der Gesellschaft liegt vor, wenn die Schulden weder zu Fortführungs- noch zu Veräusserungswerten gedeckt sind. Dabei werden Überbrückungskredite gem. der COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung bis zur Höhe von Fr. 500‘000.—nicht berücksichtigt, Art. 24 COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung. Die COVID-19 Plus Überbrückungskredite über Fr. 500‘000.—werden hingegen berücksichtigt.

Im Falle des Eintritts der Überschuldung nach dem 31. Dezember 2019, wird durch die Covid-19 Verordnung Insolvenzrecht, Art.1, die Pflicht zur Benachrichtigung des Richters ausgesetzt, vorausgesetzt, dass die Aussicht besteht, dass die Überschuldung bis zum 31. Dezember 2020 beseitigt werden kann. Es werden also nur solche Gesellschaften geschützt, deren Krise durch die Pandemie verursacht wurde. Bei Gesellschaften, die per 31.12.2019 nur aufgrund des Vorliegens von Rangrücktritten nicht benachrichtigungspflichtig waren besteht die Besonderheit, dass sie nicht unter die Regelung fallen, weil Rangrücktritte keine Sanierungsmassnahmen sind (vgl. COVID-19-Verordnung Insolvenzrecht Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen).

Die Entscheidung des Verwaltungsrat ist zu dokumentieren.

Für die GmbH, die Genossenschaft und die Stiftung gilt Vorstehendes nach Art. 2 Covid-19 Verordnung Insolvenzrecht entsprechend.

Die Gesellschaft in der Krise hat zum einen die Möglichkeit eine private Sanierung zu versuchen. Hierzu muss die Gesellschaft mit ihren Gläubigern jeweils einzeln direkt verhandeln, mit dem Ziel einen Forderungserlass oder eine über den 31. Dezember 2020 hinausgehende Stundung zu erreichen. Betreibungen laufen allerdings weiter. Von Vorteil ist, dass keine Veröffentlichung der Sanierungsbemühungen erfolgt.

Es kann auch um Nachlassstundung nach Art. 293 SchKG bei Gericht ersucht werden. Dem Gesuch sind Beilagen wie die aktuelle Bilanz, Erfolgsrechnung und Liquiditätsplanung oder entsprechende Unterlagen, aus denen sich die derzeitige und künftige Vermögens-, Ertrags- und Einkommenslage ergibt, anzufügen. Das Gericht bewilligt die provisorische Nachlassstundung und setzt einen Sachwalter ein. Die provisorische Stundung kann bis zu 6 Monate bewilligt werden und bei begründetem Gesuch kann von Publikation bis zum Ende der provisorischen Stundung abgesehen werden. Bei Bewilligung der definitiven Nachlassstundung erfolgt in jedem Fall die Veröffentlichung. Die Nachlassstundung endet mit Sanierung oder dem Abschluss einen Nachlassvertrages mit den Gläubigern. Gelingt beides nicht folgt der Konkurs.

Die Covid-19 Verordnung Insolvenzrecht sieht in Art. 6 Abs. 1 für Unternehmungen ein vereinfachtes gerichtliches Stundungsverfahren vor („COVID-19 Stundung“). Ausgenommen sind Publikumsgesellschaften im Sinne von 727 Abs. 1 Ziff. 1 OR und Gesellschaften, die im Jahr 2019 zwei der Grössen nach Artikel 727 Absatz 1 Ziffer 2 OR überschritten haben. Das Verfahren und die Anforderungen an die Stundung sind einfach. Inhaltlich handelt es sich um eine abgespeckte provisorische Nachlassstundung, die allerdings – wie der allgemeine Rechtsstillstand nach Artikel 62 SchKG – nahezu voraussetzungslos gewährt wird. Verlangt wird einzig, dass der Schuldner Ende 2019 nicht überschuldet gewesen war oder Rangrücktritte im Sinne von Artikel 725 Absatz 2 OR im vollem Umfang der Überschuldung vorliegen. Bei Stundung können vor der Stundung entstandene Schulden nicht bezahlt, aber auch nicht betrieben werden. Ausgenommen sind Forderungen der ersten Klasse gem. Art. 219 Abs. 4 SchKG (Alimente, Löhne und Gehälter). Der Schuldner darf seinen Betrieb während der Stundung fortsetzen. Im Gegensatz zur Nachlassstundung können Dauerschuldverhältnisse (Miete und Pacht) nicht aufgelöste werden. Anlagevermögen darf ohne Zustimmung des Gerichts nicht veräussert werden. Die COVID-19 Stundung kann für drei Monate verlangt werden und danach einmal um drei Monate verlängert werden. Die Publikation der Stundung ist obligatorisch. Es kann auch ein Sachwalter bestellt werden. Während der COVID-19 Stundung kann um die normale provisorische Nachlassstundung ersucht werden, wobei die Hälfte der bereits vergangen Zeit der COVID-19 Stundung angerechnet wird. Nach Ablauf der Frist endet die COVID-19 Stundung ohne weiteres. Kann keine Sanierung oder der Abschluss eines Nachlassvertrags nachgewiesen werden, folgt der Konkurs.

Allen Rechtsänderungen durch die Covid-19 Verordnung Insolvenzrecht ist gemeinsam, dass eine Unternehmung lediglich ein Zeitfenster erhält, während dem er seine Unternehmung sanieren kann. Hierfür ist zusätzliche Beratung durch einen Rechtsanwalt dringend anzuraten.