Ihnen sind Kosten entstanden, weil jemand (unberechtigte) Forderungen geltend gemacht hat, dann aber nicht klagte? Bekommt man nun (Schaden-) Ersatz für seine Aufwendungen? Wir geben Ihnen einen kurzen Überblick über die Rechtsprechung.
Das Bundesgericht hat in BGE 117 II 394 erwogen, dass es Konstellationen gäbe, in welcher das prozessbezogene Verhalten als solches und nicht das im Prozess zu beurteilende Ereignis eine rechtswidrige Handlung darstelle. Der Schaden, soweit es sich um Gerichts- oder Parteikosten handele, ginge in diesem Falle unmittelbar auf das schädigende Ereignis zurück. Es hielt fest, dass die Lehre für einen solchen Fall Haftungsansprüche anerkenne und auch das Bundesgericht in einem früheren Fall entschieden habe, dass einer Partei, die durch eine ungerechtfertigte vorsorgliche Massnahme geschädigt wurde, ein Schadenersatzanspruch aus Art. 41 OR zustehen könne. Ähnliches geltet für den Fall missbräuchlicher, böswilliger oder gegen Treu und Glauben verstossender Ausübung von Verfahrensrechten im Rahmen eines verwaltungsrechtlichen oder eines zivilprozessualen Verfahrens. Weiter hielt es fest, dass weitgehende Einigkeit darüber bestünde, dass eine Haftung nur bei sittenwidrigem, absichtlichem oder grobfahrlässigem Verhalten im Sinne von Art. 41 OR in Frage komme. Dabei hielt es fest, dass jeder Bürger grundsätzlich befugt sei, für Ansprüche, die er zu besitzen vermeint, den behördlichen Schutz anzurufen, sofern er in guten Treuen handelt. Demnach würde es einem rechtsstaatlichen Grundprinzip widersprechen, wenn man in jedem ungerechtfertigten Verfahren einen Haftungstatbestand erblickt würde und an eine leichtfahrlässige Fehleinschätzung der Rechtslage Schadenersatzfolgen knüpfen würde, welche über die rein prozessrechtlichen Folgen einer solchen Einschätzung hinausgehen. Es hielt fest, dass die Haftung demnach an eine missbräuchliche Inanspruchnahme eines staatlichen Verfahrens oder an ein treuwidriges oder böswilliges Verhalten anknüpfe.
In BGer 4C.353/2002 hat das Bundesgericht auf frühere Entscheide verwiesen, wonach die missbräuchliche, böswillige oder gegen Treu und Glauben verstossende Ausübung von Verfahrensrechten im Rahmen eines verwaltungsrechtlichen oder zivilprozessualen Verfahrens eine unerlaubte Handlung im Sinne von Art. 41 OR darstelle, die entsprechende Haftungsfolgen auslösen kann. Widerrechtlich im Sinne von Art. 41 OR sei die Einleitung eines Verfahrens, wenn dieses zweckentfremdet wird oder zum vornherein offensichtlich aussichtslos ist. Missbräuchlich handele daher, wer trotz offensichtlicher Aussichtslosigkeit suspensiv wirkende Rechtsmittel gegen eine Baubewilligung einlege, um die Ausführung eines Bauvorhabens zu verzögern. Als aussichtslos dürfe ein Rechtsmittel in diesem Zusammenhang allerdings erst bezeichnet werden, wenn sich seine Einreichung mit keinerlei sachlich vertretbaren Gründen rechtfertigen lasse. Dem entspreche, dass der Haftungsgrund von Art. 41 Abs. 2 OR, welchem ein missbräuchliches prozessuales Verhalten mindestens nahe stehe, nur ausnahmsweise und mit grosser Zurückhaltung anzunehmen sei und eine Haftung nach der Rechtsprechung nur bei absichtlichem oder grobfahrlässigem Verhalten, insbesondere bezüglich der Einschätzung der Rechtslage, in Frage komme.
Das Handelsgericht Zürich hat in seinem Urteil vom 06. Juni 2013, HG120116-O mit Verweis auf bundesgerichtliche Rechtsprechung erwogen, dass nicht undenkbar sei, dass die Einleitung und die Führung eines Zivil- oder Verwaltungsverfahrens gegen einen andern eine Schadenersatzpflicht auslösen könne. Nach der bundesgerichtlichen Praxis stelle die missbräuchliche, böswillige oder gegen Treu und Glauben verstossende Ausübung von Verfahrensrechten im Rahmen eines verwaltungsrechtlichen oder zivilprozessualen Verfahrens eine unerlaubte Handlung im Sinne von Art. 41 OR dar, die entsprechende Haftungsfolgen auslösen könne. Die Rechtsprechung sähe in der missbräuchlichen Inanspruchnahme eines staatlichen Verfahrens einen Verstoss gegen ein ungeschriebenes Gebot der Rechtsordnung. Bei solchem deliktischen Prozessverhalten bestehe grundsätzlich eine bundesrechtliche Anspruchsgrundlage. Eine derartige Haftung müsse eine missbräuchliche Inanspruchnahme eines staatlichen Verfahrens oder ein treuwidriges oder böswilliges Verhalten zugrunde liegen
In BGer 4A_148/2016 hat das Bundesgericht erwogen, dass vorprozessuale Anwaltskosten in der Regel mit der Parteientschädigung entgolten würden, namentlich im Anwendungsbereich der ZPO. Sie können nur ausnahmsweise separat als Schaden eingeklagt werden, wobei die Widerrechtlichkeit ihrer Verursachung durch die Gegenpartei eigens begründet werden muss. Ansonsten würden sie in aller Regel zu den Kosten des laufenden Verfahrens gehören, die nicht als selbständiger Anspruch eingeklagt werden könnten.
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