Rufen Sie uns an: +41 52 269 21 00

Darf man Männer diskriminieren, Frauen aber nicht?

von hauser@m-win.ch, Tel. +41 (52) 269 21 11

Gibt es ein allgemeines Recht auf Lohngleichheit oder gibt es nur ein Geschlechtergleichbehandlungsgebot? Darf man seinem männlichen Mitarbeiter weniger Lohn bezahlen als den anderen männlichen Kollegen, der weiblichen Kollegin aber nicht? Wir geben Ihnen einen ersten Überblick.

Bundesverfassung

Art. 8 Abs. 3 BV besagt: «Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.»

Art. 8 Abs. 3 Satz 3 BV hat eine direkte Drittwirkung, was bedeutet, dass dieser gegenüber jedem staatlichen Arbeitgeber und gegenüber jedem privaten Arbeitgeber Wirkung entfaltet. Er gewährt einen Anspruch auf gleichen Lohn bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Dies bedeutet aber nicht, dass Lohnunterschiede generell verboten sind. Lohnunterschiede sind zulässig, sofern sie auf objektive Kriterien, z.B. Erfahrung oder Qualifikation, zurückzuführen sind.

Gleichstellungsgesetz

Bereits am 01. Juni 1996 ist das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz, GlG) in Kraft getreten. Art. 3 Abs. 1 GlG besagt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden dürfen, namentlich nicht unter Berufung auf den Zivilstand, auf die familiäre Situation oder, bei Arbeitnehmerinnen, auf eine Schwangerschaft. Gem. Art. 3 Abs. 2 GlG gilt das Verbot insbesondere für die Anstellung, Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung.

Eine indirekte Diskriminierung liegt vor, wenn eine formal geschlechtsneutrale Regelung im Ergebnis wesentlich mehr bzw. überwiegend Angehörige des einen Geschlechts gegenüber denjenigen des anderen benachteiligt, ohne dass dies sachlich begründet wäre. Demgemäss liegt nach Lehre und Rechtsprechung eine besoldungsmässige Geschlechtsdiskriminierung vor, wenn zum Nachteil einer geschlechtsspezifisch identifizierten Arbeit sachlich unbegründete Lohnunterschiede bestehen. Eine Lohndiskriminierung entfällt, wenn die Lohndifferenz durch die zu erbringende Arbeit oder die in Frage stehende Funktion sachlich begründet erscheint. Sachlich begründet ist ein Lohnunterschied im Einzelvergleich oder bei der Einstufung von Frauenberufen, wenn er sich auf sog. objektive Kriterien stützt oder nicht geschlechtsspezifisch motiviert ist. Zu den objektiven Kriterien gehören Gründe, die den Wert der Arbeit beeinflussen, wie Ausbildung, Dienstalter, Qualifikation, Erfahrung, konkreter Aufgabenbereich, Leistung, soweit sie sich im Arbeitsergebnis niederschlägt, oder Risiken; darüber hinaus kann es sich um Gründe handeln, welche sich aus sozialen Rücksichten ergeben, wie familiäre Belastung und Alter, und schliesslich kommen auch äussere Faktoren wie die konjunkturelle Lage in Betracht, soweit ihre Berücksichtigung einem wirklichen unternehmerischen Bedürfnis entspricht. Um eine unterschiedliche Entlöhnung zu rechtfertigen genügt es nicht, dass die Arbeitgebenden irgendeinen Grund anführen. Sie müssen vielmehr beweisen, dass ein objektives Ziel verfolgt wird, welches einem echten unternehmerischen Bedürfnis entspricht, und dass die Ungleichbehandlung geeignet ist, das angestrebte Ziel unter Wahrung der Verhältnismässigkeit zu erreichen. Objektive Gründe vermögen im Allgemeinen eine unterschiedliche Entlöhnung nur dann zu rechtfertigen, wenn sie für die konkrete Arbeitsleistung und die Lohngestaltung durch die Arbeitgebenden wesentlich sind. Ist ein sachlich unbegründeter Lohnunterschied zum Nachteil einer geschlechtsspezifisch identifizierten Arbeit nachgewiesen, besteht ein direkter Anspruch (im Sinne eines subjektiven Individualrechts) auf einen diskriminierungsfreien Lohn, der im Rahmen der (bundesrechtlichen) Verjährungsregeln auch rückwirkend geltend gemacht werden kann (BGer 8C_366/2014 E.6.1.2. m.w.H.).

Fürsorgepflicht, Art. 328 OR

Ein arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz wird aus der Pflicht des Arbeitgebers, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu schützen, abgeleitet. Diese gilt unabhängig vom Geschlecht. Ein ungerechtfertigte Ungleichbehandlung des Arbeitnehmers stellt eine Persönlichkeitsverletzung dar.

Zu beachten ist, dass der Grundsatz der Vertragsfreiheit mit Bezug auf den vereinbarten Vertragsinhalt beliebige Differenzierungen zwischen den einzelnen Arbeitnehmenden erlaubt. Verhandelt ein Arbeitnehmer schlechter als seine Kollegen, so hat er die sich daraus ergebenden schlechteren Arbeitsbedingungen grundsätzlich hinzunehmen, wobei in Bezug auf freiwillige Sozialleistungen und Zulagen sich teils Einschränkungen und Vorbehalte gegenüber einer Ungleichbehandlung von Angestellten des gleichen Arbeitgebers finden (BGE 129 III 276 E. 3.1. m.w.H.).

Zu beachten ist, dass auch eine unsachliche und willkürliche Entscheidung des Arbeitgebers nur dann eine Persönlichkeitsverletzung und damit einen Verstoss gegen das individuelle Diskriminierungsverbot darstellen kann, wenn darin eine den Arbeitnehmer verletzende Geringschätzung seiner Persönlichkeit zum Ausdruck kommt. Eine solche kann von vornherein nur gegeben sein, wenn ein Arbeitnehmer gegenüber einer Vielzahl von anderen Arbeitnehmern deutlich ungünstiger gestellt wird, nicht jedoch, wenn der Arbeitgeber bloss einzelne Arbeitnehmer besser stellt. Immerhin kann ein nur einzelne Arbeitnehmer begünstigendes Verhalten des Arbeitgebers zur Folge haben, dass auch davon nicht erfasste Arbeitnehmer nach Treu und Glauben auf eine stillschweigende Vertragsänderung zu ihren Gunsten schliessen dürfen. Dann muss die Arbeitgeberin diese nur einzelnen Arbeitnehmern zugedachte begünstigende Behandlung auch den andern zukommen lassen, weil sie nach Treu und Glauben als vertraglich vereinbart anzusehen ist (BGE 129 III 276 E. 3.1. m.w.H.).

Fazit

Lohnunterschiede sind nicht generell verboten, ihre Zulässigkeit hängt jedoch von verschiedenen Kriterien ab. Ob eine unzulässige Lohndiskriminierung vorliegt, ist für den konkreten Einzelfall festzustellen, den es einzuordnen und zu bewerten gilt.

Sollten Sie Fragen haben oder Unterstützung benötigen, können Sie sich gerne an uns wenden.

Interessiert mich (Email an sekretariat@m-win.ch; wir melden uns)

Anmerkung: Dieser Beitrag wurde von der unabhängigen Anwaltskanzlei «Martin Rechtsanwälte GmbH» auf unserem Blog publiziert.


Close Menu